Robotik

Der Einsatz humanoider Robotik in der Altenpflege

Ingolf Rascher [1]; Heinrich Recken[2] ; Matthias Hofmann [3]

In den Medien wird von Besuchen des humanoiden Roboter Pepper (SoftBank Robotics Tokyo) in deutschen Altenpflegeeinrichtungen berichtet. Die AAL (Ambient Assisted Living) Akademie beobachtet im Rahmen von Marktanalysen (Digitalisierungsbarometer [4])  seit  mehreren Jahren die Entwicklungen der Digitalisierung und Technisierung der Pflege. Verspätet und ein bisschen zaghaft hält also auch die Robotik im Rahmen erster Projekte Einzug in den Pflegealltag. Die Erwartungen der Akteursgruppen sind sehr unterschiedlich: Auf der einen Seite eine eher positive Bewertung der Bedeutung der Robotik für Betreuung und pflegerische/gesundheitliche Versorgung, andererseits aber auch die Einschätzung, dass die Robotik nicht die Lösung für den Pflegenotstand ist.

Humanoide Robotik in der Pflege

Um Einsatzmöglichkeiten eines humanoiden Roboters in der Altenpflege zu analysieren, wurde ein Fragebogen entwickelt. Dabei wurde der sozialwissenschaftliche Diskurs zur Technologisierung auf dem Hintergrund aktueller Entwicklungen des Pflegesektors (wie die Wissensexplosion, Zunahme der Aufgaben in der Pflege als Folge der demografischen Entwicklung) berücksichtigt. Festgelegt wurde, dass es sich ausschließlich um den Einsatz des humanoiden Roboter Pepper handelt. Dieser “Companion Robot” (Roboter-Gefährte) ist darauf ausgelegt, informativ und kommunikativ zu agieren.

Zwischen April bis Juni 2018 wurden 207 stationäre Pflegeeinrichtungen angeschrieben. Die Aufgabe der Teilnehmer*innen an der Befragung bestand darin, relevante Pflegeprozesse zu identifizieren, in denen man sich eine Unterstützung erwartet. Dabei sollten auch nicht-technische Lösungen genannt werden können. Ethische Fragestellungen und Datenschutz wurden berücksichtigt, Arbeitsmarkt-und bildungspolitische Fragestellungen wurden nicht adressiert. Im Mittepunkt stand die Frage nach wirkorientierten und sozial vertretbaren Einsatzmöglichkeiten: „Können Roboter zu guter Pflege beitragen?“ Dabei sollte die aus der Bedarfsanalyse heraus entwickelte Problemstellungen unabhängig von den aktuellen Einsatzmöglichkeiten, die der Roboter Pepper aktuell hat, formuliert werden.

Von den angeschriebenen Einrichtungen haben 163 den Fragebogen beantwortet und 84 haben eine Zusammenarbeit zugesagt. Ergänzend wurden  leitfadengestützte Interviews durchgeführt. Zunächst wurden in einer Großradarphase 78 Prozesse genannt, die für einen Einsatz geprüft werden sollten. Die Ergebnisse wurden mit MAxQData und SPSS aufbereitet. Im Rahmen eines Konsensverfahrens am 11. Juli 2018, an dem sich 15 Altenpflegeeinrichtungen aus NRW beteiligten, wurden fünf als realistisch eingeschätzte Szenarien für die weitere Untersuchung festgelegt.

Szenario 1 Beobachtung von Stimmungen und Emotionen

  • Pepper erkennt mithilfe der eingebauten Mikrofone, HD-Kameras und Sensoren Emotionen: B.  traurig, depressiv-niedergeschlagen. Er analysiert ebenfalls die Gestik, Mimik und die Stimme seines Gegenübers und reagiert darauf. Dahinter verbirgt sich künstliche Intelligenz (AI) und Affective Computing.  

Szenario 2 Psychosoziale Betreuung

  • Pepper ist in der Lage, mit seinen Mitmenschen emotional zu interagieren, ihre Probleme zu erfassen, auszuwerten und ihnen Lösungsvorschläge anzubieten. Er kann sie zur Reflexion und möglichen Handlungsänderungen anregen.
  • Für die Pflegebedürftigen bedeutet dies mehr Unabhängigkeit: Während sie zuvor auf die Hilfe vom Fachpersonal angewiesen waren, steht ihnen nun rund um die Uhr Pepper zur Ausführung ihrer Bedürfnisse und Wünsche zur Verfügung.

Szenario 3 Begleitung und Unterstützungsdienste mit Dokumentationsmöglichkeit - Pflegeassistenz

  • Pflegeassistenz dient dazu, Pflegekräfte zu entlasten und Abläufe in der Pflege zu erleichtern, ohne Qualitätsverluste in der Versorgung hinnehmen zu müssen.
  • Der Unterstützungsdienst soll die körperliche und psychische Belastung der Pflegekräfte mindern, damit sie weniger häufig an berufstypischen Erkrankungen leiden und länger im Beruf verbleiben können.

Szenario 4  Feedback-System für das QM

  • Als Information und Lernunterstützung der Pflegekraft über verschiedene Funktionsweisen
  • Daten, die für das QM benötigt werden, sollen durch Pepper abgefragt und möglichst schnittstellenfrei in die Dokumentationssysteme übertragen werden

Szenario 5 Erkennen von Personen und Situationen

  • Systeme zur Information und Überwachung mit dem Ziel der „Selbstoptimierung“
  • Beispiele: Sturzerkennung, intelligente Notrufsysteme, Vitaldatenmonitoring, Überwachungs- und Ortungssysteme.

Bis Ende Dezember 2018 werden in den beteiligten Einrichtungen die Prozesse mittels der SeeMe-Methode [5] erfasst. SeeMe unterstützt die Darstellung sozio-technischer und semi-strukturierter Aspekte von Kommunikations- und Kooperationsprozessen. Nach der systematischen Auswertung der Feldphase des Robotereinsatzes erfolgen eine  Programmierung (und ggf. technische Anpassungen) des Roboters und eine Neuformulierung des pflegerischen Prozesses

Im Ergebnis sollen „Angebote“ gemacht werden, d.h. verschiedene technische Lösungen vorgeschlagen werden, die Pflegeprozesse unterstützen oder optimieren. Zusätzlich werden Akzeptanzdimensionen (Technologie, Dienstleistung, Nutzer) im Rahmen von Mensch- Technik-Interaktionen untersucht. Im Rahmen von Experimentierräumen geht  Pepper dann sozusagen als „Praktikant“ in teilnehmende Altenpflegeeinrichtungen. So können die Beschäftigten Erfahrungen sammeln im Umgang mit Robotik und bewerten, ob sich durch die technische Unterstützung der erwartete Mehrwert in der pflegerischen Versorgung auch einstellt.

Weitere Informationen unter www.robotik-pflege.de

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